19April2024

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Was sind Vitamine fürs Herz? Zusätzlich zur physischen Hilfe ist für uns die geistige Unterstützung ebenso von großer Bedeutung. „Vitamine fürs Herz“ ist der Titel einer Reihe, in der wir monatlich neue Beiträge veröffentlichen. Die Vitamine sind Zusammenstellungen aus Textauszügen, die wir mit freundlicher Genehmigung der Autoren auf unserer Webseite präsentieren dürfen. Da wir von Lesern so gute Reaktionen darauf bekommen, möchten wir sie hier teilen und hoffen, dass sie so auch vielen anderen große Freude bringen können.
Vitamine fürs Herz

Die Klavierlehrerin

von Mildred Hondorf:

Von je her ergänzte ich mein Einkommen mit Klavierunterricht – schon seit über 30 Jahren. Über die Jahre stellte ich fest, wie Kinder verschiedene Arten von Musikbegabung besaßen. Nie war es mir vergönnt einem Wunderkind zu begegnen, dennoch unterrichtete ich einige sehr begabte Schüler.

Allerdings fanden sich unter meinen Zöglingen auch etliche, für die Musik eine Herausforderung darstellte. Einer unter ihnen war Robby. Im Alter von 11 Jahren brachte seine alleinstehende Mutter ihn zur ersten Klavierstunde. Normalerweise zog ich es vor, wenn Schüler schon viel früher anfangen, Klavierspielen zu lernen, erklärte ich Robby.

Doch Robby entgegnete, es sei schon immer der Traum seiner Mutter gewesen, ihn Klavierspielen zu hören. Also nahm ich ihn als Schüler an. Robby begann seinen Klavierunterricht, wenn ich auch gleich ahnte, dass es ein hoffnungsloses Unterfangen wäre. Wie sehr sich Robby auch anstrengte, fehlte ihm das Gespür für Tonlagen und einfachen Rhythmus, um glänzen zu können. Pflichtgetreu übte er seine Tonleitern und einige einfache Stücke, die ich von all meinen Schülern zu lernen verlangte.

Mit den Monaten übte und übte er und ich hörte zu, schauderte und versuchte ihm Mut zu machen. Am Ende jedes wöchentlichen Unterrichts sagte er immer wieder, „Meine Mutter wird mich eines Tages Spielen hören.“

Es schien jedoch hoffnungslos. Es war ihm einfach nicht angeboren. Seine Mutter kannte ich nur entfernt, wenn sie ihn ablud oder in ihrem betagten Wagen wartete, um ihn abzuholen. Sie winkte mir immer zu und lächelte, kam aber nie herrein.

Eines Tages kam Robby nicht mehr zum Unterricht. Ich wollte ihn schon anrufen, nahm aber an, wegen seines fehlenden Talentes hätte er beschlossen, etwas anderes zu lernen. Gleichzeitig war ich erleichtert, dass er nicht mehr kam, denn er war schlechte Werbung für meinen Unterricht.

Mehrere Wochen später schickte ich meinen Schülern eine Ankündigung über das bevorstehende Konzert nach Hause. Zu meiner Überraschung bat mich Robby, der die Nachricht auch erhalten hatte, ob er an dem Konzert teilnehmen könnte. Ich sagte ihm, es wäre für die jetzigen Schüler und da er nicht mehr gekommen sei, sei er damit ausgeschieden.

Er entgegnete, seine Mutter sei krank und unfähig gewesen, ihn zum Unterricht zu fahren, er jedoch hätte nicht aufgehört zu üben. „Frau Hondorf, ich muss unbedingt spielen!“ bestand er. Ich weiß auch nicht, was mich dazu bewog, ihn im Konzert spielen zu lassen. Vielleicht war es seine Beharrlichkeit, vielleicht auch eine Stimme in mir, die mir sagte, es wäre schon gut.

Der Konzertabend stand vor der Tür. Die Aula des Gymnasiums war vollgestopft mit Eltern, Freunden und Verwandten. Robby hatte ich als letztes im Programm, bevor ich auftreten, allen Schülern danken und eine ausleitendes Stück spielen würde. Damit - mit meinem Zugabe-Stück, könnte ich jeden negativen Eindruck, den sein Spielen hinterlassen würde, wieder gut machen, dachte ich.

Nun, das Konzert verlief reibungslos. Alle hatten geübt und das zeigte sich. Dann betrat Robby die Bühne, zerknittert angezogen und mit zerzausten Haaren. Warum hat er sich nicht wie alle anderen Schüler herausgeputzt? dachte ich. Warum hat ihm seine Mutter für diesen besonderen Abend nicht zumindest die Haare gekämmt?

Robby rückte die Klavierbank zurecht und begann. Erstaunt vernahm ich, wie er verkündete, er hätte Mozarts Konzert #21 in C Moll gewählt. Ich war völlig unvorbereitet für das, was ich dann hörte. Seine Finger flogen leicht über die Tasten, fast tanzten sie gewandt über das Elfenbein. Er führte sie von Pianissimo zum Fortissimo, vom Allegro zum Virtuoso. Die von Mozart geforderten Vorhaltakkorde gelangen ausgezeichnet. Zu keiner Zeit hatte ich je einen seines Alters so hervorragend spielen hören.

Nach sechseinhalb Minuten endete er in einem fulminanten Crescendo und die ganze Aula stand auf ihren Füßen und applaudierte frenetisch. Völlig überwältigt und mit tränenden Augen lief ich auf die Bühne und nahm Robby freudig in meine Arme. „Ich habe dich noch nie so spielen hören, Robby! Wie hast du das gemacht?“

Übers Mikrofon erklärte Robby: „Frau Hondorf, erinnern Sie sich daran, als ich Ihnen erklärte, meine Mutter sei krank? Nun, genau genommen hatte sie Krebs und ist heute Morgen verschieden. Und, na ja“, er machte eine Pause, „sie war von Geburt an taub. Heute war also das aller erste Mal, dass sie mich hat spielen hören. Es sollte etwas ganz besonderes werden.“

An dem Abend blieb kein Auge trocken in dem Saal. Als die Leute von der Jugendfürsorge Robby dann von der Bühne führten, um ihn zu Pflegeeltern zu bringen, sah ich, dass auch ihre Augen rot und geschwollen waren. Wie reich ist mein Leben doch geworden, weil ich Robby als meinen Schüler angenommen hatte, dachte ich.

Nein, ich hatte nie ein Wunderkind, an dem Abend aber wurde ich Robbys Protegé. Er war der Lehrer und ich die Schülerin. Denn er lehrte mich die Bedeutung von Ausdauer, Liebe und Glauben an sich selbst und vielleicht auch, es mit jemandem zu versuchen, auch, wenn man nicht genau versteht, wieso.

Wir alle bekommen unzählige Möglichkeiten Gottes Plan in die Tat umzusetzen. Viele augenscheinlich unbedeutende Begegnungen zweier Menschen stellen uns vor die Wahl: Lassen wir die Chance vorübergehen und die Welt damit ein wenig kälter werden? Oder reichen wir einen göttlichen Funken weiter?

Copyright © 2004 CLTP



Die mangelhafte Infrastruktur macht es uns schwer den Teufelskreis der Armut und vielen Hindernisse im Landesinneren zu durchbrechen.

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